Körperphantasien: Mediale Inszenierungen zwischen Traum und Wirklichkeit

Montag, 17. November 2014
Aula der Leopold-Franzens-Universität

Beim diesjährigen Medientag steht das Streben nach Verbesserung des Körpers sowie der Leistungen des Menschen im Vordergrund. Lange Zeit ging der gesellschaftliche Druck, den eigenen Körper zu optimieren, nur von den retuschierten Model- und Schauspielerkörpern aus, die uns aus den traditionellen Massenmedien entgegenlächelten. Versprechen und Visionen zur Verbesserung des menschlichen Körpers im 21. Jahrhunderts sind vielfältiger: plastische Chirurgie, intelligente Kleidung, Datenbrillen, mit quantified-self-tools optimiertes Körpertraining, Psychopharmaka, technische Implantate und computer-brain-interfaces. Doch wie weit wollen wir gehen, um körperliche und geistige Fähigkeiten des Menschen computergestützt zu optimieren?

Ist der Traum vom perfekten Körper ein Alptraum, oder profitieren wir von den Möglichkeiten zur Verbesserung und Inszenierung unserer Körper? Was macht den Menschen im 21. Jahrhundert zwischen Robotik und Transhumanismus aus? Mit welchen Machtverschiebungen ist zu rechnen?

Zur Ring-Vorlesung „Körperphantasien“, den Präsentationen und Audiodateien der Vorträge geht es hier.

Die Beiträge im Detail

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Univ.-Prof. Dr. Karin Harrasser
Neue Cyborgs, alte Träume. Körpermodifikationen zwischen Gestaltungsfreiheit und Selbstoptimierung
Neil Harbisson sagt von sich, er sei ein Cyborg. 2010 hat er die Cyborg Foundation ins Leben gerufen, die Menschen dabei unterstützt, Cyborgs zu werden. Im Herbst 2013 gründete sich in Berlin der Verein Cyborg e.V., der ähnliche Ziele verfolgt. Und Tim Cannon, einer der beliebtesten Redner in der Body-Hacking und Body-Modification Szene, sagt es ganz grade heraus: Der menschliche Körper sei „fundamental fehlerhaft“. Er könne und müsse verbessert werden und zwar auf technischem Weg. Unterscheiden sich diese Cyborgs der 2010er Jahre von älteren technoavantgardistischen Visionen? Ist der menschliche Körper „machbarer“ geworden oder sind die neuen Cyborgs lediglich ein weiterer Aufguss totalitärer Träume vom „Neuen Menschen“, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geträumt wurden? Der Vortrag wird Fortschrittsträumen von neuen, besseren Menschen das Modell teilsouveräner Handlungsfähigkeit entgegensetzen und skizzieren wie eine nicht-determinstische Theorie technischen Handelns beschaffen sein müsste.
About: Karin Harrasser ist Professorin für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz. Nach einem Studium der Geschichte und der Germanistik Dissertation an der Universität Wien. Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin über »Prothesen. Figuren einer lädierten Moderne«. Neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten war sie an verschiedenen kuratorischen Projekten beteiligt, z.B. NGBK Berlin, Kampnagel Hamburg, TQ Wien. Mit Elisabeth Timm gibt sie die Zeitschrift für Kulturwissenschaften heraus. Letzte Publikation: Körper 2.0. Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen, Bielefeld: transcript 2013.

Klemens Ganner (Geschäftsführer APA-PictureDesk) und Patricio Hetfleisch (Geschäftsführer TT-Online)
Ich trete auf, also bin ich. Bilder in der Presseberichterstattung
Ein Workshop über reale Bilder und inszenierte Darstellung von TT und APA. Körperkult und Politikerdarstellungen in den Medien aus der Perspektive der Bildredaktion: Neben der Selbstinszenierung von Politikern in der Zeitung und dem Umgang mit manipuliertem Bildmaterial spielen folgende Fragen eine Rolle: die Pressefotografie sollte die Realität darstellen, aber wie echt sind die Fotos? Welches Foto wird für Schlagzeile xy ausgesucht und warum? Welche Kriterien, welche Formen der Manipulation gibt es?

Martina Guggenbichler, BA und Linda Leitner
Bildbearbeitung – Schönheitsideale per Photoshop
In unserer von Bildern geprägten Medienkultur wird die Fotografie noch immer gerne mit dem Wahrhaftigen, dem Authentischen und Realen assoziiert. Der gezielte Einsatz von Medientechnologien – sei es zur Nachbearbeitung digitaler Fotografien oder zur Manipulation des Dargestellten – wird in der Schönheitsindustrie als auch in der Politik seit geraumer Zeit diskutiert. Im Gespräch sind etwa Aufklärung durch Offenlegung von Darstellungsstrategien oder gesetzliche Regelungen zur Kennzeichnungspflicht von Bildbearbeitungen.
In unserem Workshop geben wir einen Einblick über die Methoden der Bildbearbeitung und professionellen Retusche. Anhand von praktischen Beispielen beleuchten wir deren Folgen und wie diese im Unterbewusstsein wirken. Durch die verzerrte Darstellung von Schönheit findet eine Veränderung von Schönheitsidealen statt. Die Bildbearbeitung betrifft daher nicht nur junge Frauen, sondern Frauen jeder Generation sowie Männer. Medienkompetenz macht deutlich, dass Darstellungen von Frauen und Männern auf Werbeplakaten und in Magazinen nicht der Realität entsprechen.
About: Guggenbichler Martina: Jahrgang 1985. Im Sommer 2014 beendete sie ihr Bachelorstudium der Erziehungswissenschaften an der Universität Innsbruck. Derzeit absolviert sie ihren Master in Kommunikationswissenschaften an der Paris Lodron Universität Salzburg.
Leitner Linda: Die 1991 geborene Österreicherin ist seit 3 Jahren professionell in der Mode und Beauty Fotografie tätig. Nach beendetem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni IBK übersiedelte sie nach München, wo sie auch derzeit arbeitet und lebt. Bisher fotografierte sie bereits namhafte Marken und Unternehmen und konnte Publikationen in internationalen Magazinen feiern.

Mag. Dr. Cornelia Brantner und Dr. Katharina Lobinger
Der fremde Blick auf Selfies – Über die subjektiven Sichtweisen auf die Authentizität digitaler Selbstbilder Der Workshop verfolgt zwei Ziele. Einerseits widmen wir uns Fragen der Konstruktion visueller Authentizität. Welche Bedeutung haben etwa Bildstile oder ästhetisierende Bildfilter für die Wahrnehmung der Authentizität digitaler Selbstbilder? Am Beispiel der digitalen Alltagsfotografie, in der sogenannte Selfies oder „Me Bilder“ nicht nur der Identitätskonstruktion dienen, sondern auch der Vermittlung von Authentizität, werden mit den WorkshopteilnehmerInnen Bedeutungen und Kriterien visueller Authentizität herausgearbeitet. Direkt damit verknüpft ist das zweite Ziel des Workshops: Die Einführung in die Q Methodologie, ein bislang in der Medien- und Kommunikationsforschung wenig genutzter Ansatz. Die Kombination einer qualitativen Sortierstudie (Q sort) mit quantitativer Q Faktoranalyse und offenen Interviews (Visual Elicitation) erweist sich aber für die Aufdeckung subjektiver Sichtweisen als besonders wertvoll. In Rahmen des Workshops bekommen die TeilnehmerInnen auch die Gelegenheit, selbst die Methode auszuprobieren.
About: Dr. Cornelia Brantner studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Kombination mit Politikwissenschaft und Psychologie an der Universität Wien. Seit 2009 Assistentin am dortigen Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Arbeitsschwerpunkte: Journalismus, politische Kommunikation, Europäische Öffentlichkeit und Identität, Visuelle Kommunikation.
Dr. Katharina Lobinger studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Italienisch in Wien. Seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen. Seit 2011 stellvertretende Sprecherin der Fachgruppe „Visuelle Kommunikation“ der DGPuK. Forschungsschwerpunkte: Visuelle Kommunikationsforschung, Multimodalität, Werbeforschung, Mediatisierungsforschung.

Univ. Prof. Dr. Anne Siegetsleinter
Vom Altern zum Veraltern: Roboter als Schönheits- und Leistungsideal
Abgesehen vom gesellschaftlichen Druck, den eigenen Körper zu optimieren, verändern beispielsweise die neuen (erhofften) Möglichkeiten von gedankengesteuerten Exoskeletten die Auffassung davon, wer, was und wie wir Menschen sind. Jene Person, die am 12. Juni 2014 im Rahmen der Eröffnungsfeier der Fifa-Fußball-WM in Sao Paulo mithilfe eines Exoskeletts den Ball anstieß, wurde in den Medien bereits als „Wesen […] halb Mensch, halb Maschine“ (Deutsche Welle) rezipiert. Leistungsstarke humanoide Roboter und „Cyborgs“ – wenngleich mehr Phantasie denn gegenwärtig realisierbar – nähren den Wunsch und für manche die Befürchtung, diese könnten den Menschen in vielerlei Hinsicht überlegen sein. Sie fungieren damit als Leistungsideal, das den biologischen Körper von Menschen nicht mehr als Grenze akzeptiert. Es gilt nicht mehr, die Leistungspotenziale menschlicher Körper auszuschöpfen, sondern diese selbst zu überwinden. Doping war gestern. Dies betrifft auch Schönheitsideale. Die Vorgabe makelloser, metall-ähnlich glatter Haut mag zunehmend nicht mehr dazu dienen, die Abgrenzung zu (anderen) Tieren zu verkörpern, sondern die Überwindung des bislang Menschlichen. In letzter Hinsicht meint die Überwindung bislang menschlicher Grenzen die Überwindung des (noch) sterblichen natürlichen Körpers. Es sind gerade auch die medial inszenierten Phantasien von Robotern und „Cyborgs“, über die die Verheißung, nicht mehr zu altern, sondern höchstens noch zu veraltern und damit erneuert werden zu können, kulturell vermitteln. Selbst Sterblichkeit war gestern.
About: Anne Siegetsleitner studierte in Salzburg Philosophie, Psychologie, Pädagogik sowie Deutsche Philologie. Die Habilitation mit einer Arbeit über Ethik und Moral im Wiener Kreis (Böhlau 2014) erfolgte 2012. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist die Informationsethik, in der sie sich insbesondere mit Fragen der Privatheit auseinandersetzt. Seit Oktober 2013 ist Siegetsleitner Professorin für Praktische Philosophie an der Universität Innsbruck. www.siegetsleitner.net

Dr. Jörg-Uwe Nieland
Optimierung als neues Leitbild – Anmerkungen zur Berichterstattung über die „Quantified self-Bewegung
Das Anliegen des Beitrags besteht darin, gravierenden Veränderungen moderner Gesellschaften, die sich in den letzten Jahrenvollzogen haben, und deren aktuelle Herausforderungen am Paradigma der Sport- und Bewegungskulturen verständlich zu machen. Betrachtet wird dazu die „Quantified self“-Bewegung und das „Self-tracking“-Trends im Sport. Als theoretisches Gerüst dient der Mediatisierungsansatz, der die Veränderung der interpersonalen Kommunikation durch deren zunehmende Vermitteltheit durch Medientechnologien erfasst. Anhand ausgewählter Technikanwendungen werden zuerst allgemeine Mediatisierungsformen und im Anschluss solche im Sport vorgestellt. Konkret werden die zwei analytischen Komponenten von Mediatisierung – die „quantitative“ Dimensionen (also die Verbreitung von Medientechnologien und die damit verbundenen Änderungen von Handlungsweisen) und die „qualitative Dimension“ (der Wandel des Wissens und Handelns) – in der Radsport- und der Laufszene beschrieben.
Im Anschluss widmet sich der Beitrag der Berichterstattung über die „Quantified self“-Bewegung. Diskutiert wird, ob und wie die Veränderungen in den Sport- und Bewegungskulturen aber auch der Vergemeinschaftungsprozesse thematisiert werden – also welches Leitbild vermittelt wird. Konkret wird gefragt, ob eine Erhöhung des Optimierungsdruck auch im Alltag des Breiten- bzw. Freizeit- und Gesundheitssports problematisiert wird.
About: Jörg-Uwe Nieland, Dr. phil., Studium der Politikwissenschaft (mit den Nebenfächern Geschichtswissenschaft, Philosophie und Sportwissenschaft) an der Universitäten Duisburg, Bochum und Berlin; Abschluss der Promotion 2006 (Universität Duisburg-Essen); seit 2009 Mitarbeiter an der Deutschen Sporthochschule Köln, Institut für Kommunikations- und Medienforschung, Projektmitarbeiter an der Universität Duisburg-Essen am Institut für Politikwissenschaft.
Schwerpunkte in Lehre und Forschung: Sportkommunikation und Sportpolitik; Politische Kommunikation; Medienpolitik und Medienentwicklung, sowie Populärkultur. Aktuell u.a. stellvertretender Projektleiter im Forschungsprojekt „Sport der medialen Moderne“ an der Deutschen Sporthochschule. Publikationen: „Regieren und Kommunikation. Meinungsbildung, Entscheidungsfindung und gouvernementales Kommunikationsmanagement“ (mit K. Kamps) (Hrsg.) Köln 2006; „Das Spiel mit dem Fußball. Interessen, Projektionen und Vereinnahmungen.“ (mit J. Mittag) (Hrsg.) Essen 2007; „Pop und Politik. Politische Popkultur und Kulturpolitik in der Mediengesellschaft.“ Köln 2009; „Die Sexualisierung des Sports in den Medien“ (mit D. Schaaf) (Hrsg.) Köln 2011.

Dr. Stefan Lorenz Sorgner
Transhumanistische Bilder perfekter Körper
Im Rahmen dieses Vortrags wird ein Einblick in die Bandbreite verschiedener transhumanistischer Vorstellung von Perfektion gegeben, wobei diese jeweils durch entsprechende Körperphantasien illustriert werden. In diesem Zusammenhang kommen dem Renaissance-Ideal, der Vollkommenheit des Common Sense und der Perfektion der radikalen Pluralität eine besondere Bedeutung zu, wobei auch die Vor- und Nachteile und Herausforderungen der unterschiedlichen Arten der Perfektion analysiert werden.
About: Stefan Lorenz Sorgner ist metahumanistischer Philosoph, Direktor und Mitbegründer des Beyond Humanism Networks und Fellow and Institute for Ethics and Emerging Technologies:(www.sorgner.de) Folgen Sie ihm via Facebook.

Medientag 2014